Eines morgens las ich zufällig eine Rundmail eines Uni-Dozenten, die mir einen weiten Einblick in die Filmarbeit ermöglichen sollte. Gesucht wurde jemand, der die Musik zu einem Film anlässlich des Reformationsjubiläums 2017 komponiert. Mit meinen Studienfächern Musik und ev. Theologie, wie auch meiner Leidenschaft Musik zu erfinden, sollte dem Projekt somit nichts im Wege stehen. Schon bald begannen also die Planungstreffen mit Regisseur Manfred Scholz, der seinen ersten Film drehen wollte, basierend auf dem von Lars und Sabine Reinhardt geschriebenen Drehbuch. Was zu dem Zeitpunkt noch nicht klar war: Das ursprünglich als Kurzfilm angedachte Projekt wuchs mehr und mehr und ... ich ersetzte beim Dreh spontan eine Lehrkraft der Oldenburger Musicalschule, die den singenden Sensenmann spielen sollte.
Weiter unten kannst du meine Filmmusik anhören und einige Gedanken zum Kompositionsprozess lesen.
Zeitungsartikel
Um die Musik zum Film zu komponieren waren für mich mehrere Dinge notwendig:
- Das Drehbuch lesen und Vorüberlegungen treffen (Wo muss ein Text musikalisch unterstrichen werden? Wo darf keine Musik erklingen? Wo muss ein Fade-In oder -Out hin?)
- Literatur zu Musiktheorie und -geschichte zu Renaissance/Mittelalter sichten (Welche Instrumente wurden genutzt? Wie wurden sie genutzt? Welche Melodieführungen und Intervalle waren damals typisch?)
=> passende Soundsamples zum Komponieren erwerben
- Eindrücke am Set/ beim Dreh sammeln und im Austausch mit Darstellern und Regisseuren sowie Produktionsleitung Sabine Reinhardt neue Ideen erhalten und eigene Ansätze weiterentwickeln
- Absprachen mit Ton-, Schnitt- und Bildtechnikern, da eine Verkürzung und Erweiterung einer Szene sich immer auch auf die Musik auswirkt. Zudem gab es einige Szenen, bei denen die Musik schon zum Dreh fertig sein musste, da sich die Szene in Dauer und Liedtext an ihr orientieren sollte.
- Literatur zu Kompositionstechniken und Möglichkeiten der Filmmusik lesen
=> hier gehts zu meiner Zusammenfassung
Es lassen sich abschließend folgende komponierte Musiken zusammenfassen:
1. Historische Musik der Zeit mit typischen Instrumenten wie Laute oder Schalmei (Gaukler-, Markt- und Tavernenmusik)
2. Motiv der Hühner (lustig, viele verschiedene Instrumente, bewegte Rhythmik)
3. Das Gottesfurcht-Motiv findet sich in verschiedenen Variationen überall im Film, wo Lenas Angst in Gesprächen und Taten deutlich werden soll. Das vollständige Motiv besteht aus einem wiederholend-aufsteigenden, gezupften Kontrabass, hoch schwebenden flauti- Streicherdissonanzen und einer Melodie, die sich Martin Luthers Lied "Aus tiefer Not schrei ich zu dir" (EG 299) entlehnt, durch die große Septime am Schluss markant.
4. Das Motiv der Gerechtigkeit Gottes ist eine Anlehnung an die Melodie zu den Worten "Himmel und Erde" aus dem Lied "Da berühren sich Himmel und Erde". Es taucht im Soundtrack sowie in den Klavierstücken zum Film in rhythmisch langsamen und schnellen Versionen auf.
Gerechtigkeit-Gottes-Motiv zu Beginn des Soundtracks
Diminuierte Version am "Refrainbeginn des Soundtracks"