"To(o)gether"

(2018/21)


ein Film von Lars Reinhardt

Gute Kontakte zahlen sich aus, besonders im Film- und Showgeschäft. So fragte mich Lars Reinhardt (grisufilms) - der beim Film "Fehlerlos?!" als Drehbuch-autor und Co-Regisseur tätig war - ob ich nicht auch für seinen nächsten Film "To(o)gether" als Komponist im Team mitwirken könne. Das bot mir wieder die Chance tiefer in den Bereich der Filmmusik einzutauchen und hinter die Kulissen des Filmsets zu schauen. Deswegen stimmte ich zu und fing sofort mit den Vorbereitungen an. Die ersten Dreharbeiten sollten kurz darauf im Sommer 2018 beginnen.

 

Ein Abriss zu den Dreharbeiten

Ich studierte direkt fleißig das Drehbuch. Dabei machte ich mir Notizen und diverse Anmerkungen: Welche Szenen sind besonders wichtig und benötigen besondere Musik? Wo sollte Musik vermieden werden, also Stille genutzt werden, um dadurch Spannung zu erzeugen? Welche Personen, Orte oder Handlungen kann ich durch musikalische Motive hervorheben oder verbinden, damit der Film hintergründig durch die Musik einen roten Faden erhält?

Im Zuge dieser ersten Gedanken traf ich auch gleich eine Vorauswahl, zu welchen Dreharbeiten am Set ich dazustoßen würde. Zeitlich wäre es mir kaum möglich gewesen jeden Dreh mit anzusehen. Davon abgesehen gab es etliche für mich weniger interessante Szenen, für die ich ohnehin keine Musik komponieren wollte.

Beim Dreh der Eröffnung des Films mit der Gartenparty war ich sogleich dabei. Besonders spannend sind dann natürlich alle Dinge, die man später im Film nicht sieht - dass beispielsweise der Korken der Sektflasche einfach nicht aufgehen will oder plötzlich wild durch die Gegend fliegt!

Und was vielen Leuten auch nicht klar ist. Die Szenen werden nicht unbedingt in der Reihenfolge des Films gedreht. Der Drehplan richtet sich oft einfach danach, welche Darsteller wann Zeit haben. Beispielsweise wurde die Beerdigungsszene, welche ganz am Ende des Films steht, sehr früh gedreht. Dazu fanden sich die knapp 50 Komparsen in einer kleinen Kapelle in Kirchhatten ein. Auch wurde ein echter Pfarrer für die Zeremonie gefunden, um der Veranstaltung etwas mehr Realität zu verleihen. Hier wurde es für mich interessant, als ich überraschend spontan gefragt wurde, ob ich nicht etwas an der Orgel spielen könnte. Meine notdürftig improvisierte Musik mit Hilfe des Gesangbuchs konnte zwar die Stimmung etwas untermalen, wurde später jedoch durch eine eigene Komposition ersetzt. Ich finde, der Aufwand für die insgesamt recht kurze Szene - allein das Organisieren einer passend gekleideten Trauergemeinde von 50 Personen zu einem Termin und die Findung von Location und die Einbindung eines richtigen Pfarrers - kann selbst bei Mitarbeit hinter den Kulissen nur wage erahnen lassen, welch eine Arbeit und Organisation hinter so einem ganzen Film steht. Und dies sollte ja nicht die einzige Szene mit Mehraufwand bleiben.


Presse

Worum geht es in dem Film überhaupt?

 

In dem Drama wird Teenager Maja infolge ihres Umzugs Mitglied der Clique "Together". Zunächst geht es um Hausaufgaben-betreuung, doch später gerät Maja mehr und mehr unter Druck der sehr kriminellen Organisation und ihren gefährlichen Methoden.


Am besten allerdings hat mir der Dreh am Strand in Dangast gefallen. Als stiller Beobachter konnte ich zwischen den einzelnen Aufnahmesessions die schöne Aussicht auf das Meer genießen. Die Luftaufnahmen mit der Drohne waren beim Wind teils sehr problematisch. Dazu kam, dass die Dreharbeiten ständig von Strandbesuchern gestört wurden, die es nicht akzeptieren wollten, dass der Steg mit einer Drehgenehmigung abgesperrt wurde. So liefen einige Leute stur durch das Bild, machten sich für längere Zeit am Steg breit, beleidigten uns.  Sie störten und verzögerten somit die Dreharbeiten. Oder sie starrten schaulustig oder irritiert am Rand, weil die Protagonistin während der wohl dramatischsten Szene schreiend über den Steg getragen wird, während ihrem Freund die Hände geknebelt werden. Die besonderen Details auch wieder hinter den Kulissen: Aufgrund von Ebbe mussten einige Drehs verschoben werden. Das Meer als Kulisse fehlte und einen Charakter in das Watt zu stürzen, wäre keine Alternative gewesen. So bedingt eben ein Problem das nächste. Weil andere Szenen vorher nicht schnell genug abgedreht wurden, mussten also andere verschoben, gar vertagt werden. Und der Zuschauer merkt gar nicht, welch Anstrengung den Schauspielern abverlangt werden. Da wurde schonmal von morgens bis abends gedreht. Was der Betrachter hinter dem Bildschirm nicht weiß: Für einige nachgedrehte Szenen schwitzen sich die Schauspieler in dicken Klamotten stundenlang zu Tode. Denn so manche Szene, die ursprünglich zur kalten Zeit aufgenommen wurde, musste zu einem späteren Zeitpunkt, an wärmeren Tagen, nochmals aufgezeichnet werden.

 

Zuletzt war ich noch bei den Dreharbeiten zum Clubraum des Films. Hier muss vor allen denen gedankt werden, die für ständiges Catering gesorgt haben und das Drehgelände zur Verfügung gestellt haben. Das ganze Projekt war als no-budget-Produktion auf diese Form von Hilfen und Spenden dringend angewiesen.

Auch hier wieder spannende Details: Es wurde extra ein richtiger Tatöwierer eingeladen, damit die Szene rund um das Club-Logo wirklich authentisch wirkt. Und oft sind es gar nicht die vermeintlich schwierigen Szenen, die so viel Zeit beim Dreh benötigen. Im Clubraum gibt es eine Szene, bei der alle Personen nacheinander den Raum betreten, sich setzen, einer Rede lauschen und dann applaudieren. Wegen eines problematischen Kamerawinkels, ungünstiger Beleuchtungsverhältnisse und der kleinen Raumgröße sowie damit verbundenen Schwierigkeiten musste die Szene, die im Film später sogar gekürzt erscheinen wird, unzählige Male neu aufgezeichnet werden.

 

Zusammenfassend muss ich sagen, dass es ein sehr zähes Projekt war, das mit einer Dauer von insgesamt 3 Jahren eindeutig zu lange gedauert hat. Wegen Corona musste mehrfach die Premiere verschoben werden. Und auch wegen Corona nahm mein eigentlicher Beruf als Lehrer wesentlich mehr Zeit in Anspruch, die mir für die Zeit am Filmprojekt fehlte. So musste ich mich mehrfach neu in mein Projekt einarbeiten und immer wieder erste eine gewisse Übersicht bekommen. Und das war bei den mehr als 120 Tonspuren nicht immer leicht, obwohl ich diese organisiert habe und stets tabellarisch Notizen angefertigt habe, was noch zu tun ist.

Nun war es dann aber endlich am 13.11.2021 soweit und der Film konnte in der Kulturetage in Oldenburg gezeigt werden. Nach dem Film wurden dazu noch einige mitwirkende auf die Bühne geholt und interviewt. Dabei wurde ich gefragt, ob ich so etwas nochmal machen würde. Ganz ehrlich...Ich bin mir nicht sicher. Im Rahmen der no-budget-Produktion habe gerne meine Zeit investiert und mich musikalisch weitergebildet. An anderer Stelle hätte ich aber mit einer Arbeitszeit von weit über 200 Stunden sicherlich eine gute Summe an Geld verdienen können. Musik für einen kürzeren Film wäre wahrscheinlich die verlockendere Alternative zu so einem längeren Spielfilm.

 

Und was war mein Beitrag zum Film?

Während der Dreharbeiten habe ich viel beobachtet, Eindrücke gesammelt und abends am Klavier in Noten umgesetzt, um später daraus komplexere Stücke zu erschaffen. Weitere Infos dazu finden sich hier auf der Homepage oder in meiner Soundcloud. Neben meinen Hörbeispielen der Musik finden sich hier noch die Erklärungen zu den musikalischen Motiven der Filmmusik. Ich empfehle vor allem in den Soundtrack reinzuhören ;-)


Die musikalischen Motive des Films

Im Film gibt es Musik von ganz unterschiedlichem Einsatz und Bedeutung: Einige Stücke benutzen ähnliche oder gleiche Harmonien, Melodien und Instrumente, während andere Stücke lediglich als Hintergrundmusik für eine bestimmte Szene passend komponiert sind.

Musik im Hintergrund

Notenauszug zum Beginn der Jahrmarktmusik
Notenauszug zum Beginn der Jahrmarktmusik

 

 

 

 

 

Die "Jahrmarktmusik", die Musik zur "Gartenparty" oder auch die Musik "Im Auto" oder "Am See 1 und 2" unterstreichen vor allem die grundsätzliche Stimmung des Events. Es sind alles eigenständige Werke, wobei die beiden Gitarrenstücke "Am See 1" und "Am See 2" jeweils viel identisch haben.

Notenbeispiel aus der Musik "Am See"
Notenbeispiel aus der Musik "Am See"
Takte aus dem Trauermarsch zur Beerdigung
Takte aus dem Trauermarsch zur Beerdigung

Auch das letzte Musikstück vor dem Abspann ("Beerdigung") stellt ein gutes Beispiel für Hintergrundmusik dar, die den Moment verstärkt. Während man die Trauergemeinde in der Kapelle sitzen sieht erklingt das Klavier mit der gleichmäßig pulsierenden Quinte. Der offene, langsame aber stete Klang treibt vorwärts und zeigt: Es ist geschehen, es gibt kein zurück mehr. Dabei lässt er den Zuhörer in gemischten Gefühlen schweben, weil er nicht genau weiß, wie es mit dem Hauptcharakter weitergehen wird. Der synthetische Sound mit leichtem Hall in der Melodie betont dabei den musikalisch und inhaltlich offenen Charakter der Szene.

Hauptmotive für Protagonisten und Club "Together"

Sus-Motiv aus dem Soundtrack-Mittelteil
Sus-Motiv aus dem Soundtrack-Mittelteil

Die meisten musikalischen Stücke im Film sind durch verschiedene Ebenen miteinander verbunden. Der Zuschauer wird immer wieder mit bestimmten Tonarten, Harmonien, Melodien, Instrumenten und Sounds konfrontiert, die den Film einheitlich wirken lassen.

 

So gibt es beispielsweise ein Motiv für negativ Überbrachtes wie Tabletten oder schwierige Aufgaben im Briefformat für Clubmitglieder. Der sich in Lautstärke und Tonhöhe steigernde synthetische Sound alarmiert hier den Zuschauer, warnt und weckt auf. Man kann das Motiv zum Beispiel inmitten der Musikstücke "Tattoo", "Tödliche Aufgabe"  und "Nachtgedanken" vernehmen.

Von größter Bedeutung ist allerdings die Musik, die immer im Zusammenhang mit dem Club auftritt - bei Clubtreffen, wenn der Clubleiter agiert oder wenn über den Club gesprochen wird. Die Musik steht in der Regel in der Tonart Fis-Moll, mit einer Ausnahme: zur Einführung/Begrüßung des Clubs wurde hier Fis-Dur gewählt, um dem Zuschauer noch nicht zu verraten, welch negativen Einfluss der Club auf den Protagonisten haben wird.

Ansonsten sind die Klavierbegleitung mit ihren regelmäßigen Tonwechseln mit auflösendem Charakter, der lange Streicherbass oder die Geigenmelodie wie auch die im Klavier auf den Taktzeiten 2 und 4 hervorstechenden Akzente charakteristisch. Letztere wirken wie ein Stechen und heben die Bedrohung durch den Club hervor. Auch sind verschiedenste synthetische Sounds immer wieder im Zusammenhang mit den Club-Motiven in Verbindung gebracht, die diesen frisch und futuristisch wirken lassen sollen.

Noten aus dem Stück "Ferien"
Noten aus dem Stück "Ferien"
Refrainausschnitt aus der Verfolgungsmusik "Sie kommen"
Refrainausschnitt aus der Verfolgungsmusik "Sie kommen"

Die verwandten Musikstücke mit Club-Motiven sind "Intro", "Club-Motiv", "Erbe", "Drogendeal" und "Sie kommen".

Schlüsselszenen des Films sind zudem mit dem Einsatz von prägnanten Drumset-Rhythmen unterlegt. Der Beitritt in den Club durch die Tätowierung ("Tattoo") und die dramatische Verfolgung am Strand ("Sie kommen") sind hierfür gute Beispiele. Die Abspannmusik, bzw. der "Soundtrack", greift nochmal die verschiedenen Melodien und Motive auf und bündelt sie in einem Stück, sodass der Zuhörer noch einmal die Geschichte von der Schülerin Maja vor dem inneren Ohr Revue passieren lassen kann.